5Arcadia und mediterranes Licht

der H-Träger der Antike
Säule und Kannelur
Lichtsäulen
The Ideal Villa
A House atthe Junction of History and Now

Wo anders als in Rom wird einem bewusst, wie massgebend die antike Säule unser westliches Verständnis von Architektur geprägt hat. Warum aber tragen die klassischen Säulen Kanneluren? Warum wurden Kanneluren überhaupt erfunden? Wie fassbar sind Licht, Raum, Masse und Material? Diesen scheinbar banalen Fragen wollte ich mit zeichnerischen Mitteln nachgehen, weil alle kunsthistorischen Erklärungsversuche mich nicht befriedigten. Dass sie mit dem Lichteinfall auf Körper zu tun haben, wissen wir nicht erst seit Le Corbusier. Die Säule ist die vollendete geometrische Abstraktion, zylindrisch aber durch ihre Entasis (Bauchung) in ihrer aufrechten Position auch körperhaft und gravitationsgebunden wahrnehmbar. Weil der Sonnenstand sich saisonal und im Tagesablauf nur langsam verändert und zudem Wetterbedingungen unterworfen ist, habe ich mir kurzum eine tragbare Studien-Säule sozusagen in Taschenformat gebaut. Das fertige Gipsmodell habe ich zudem angebrochen und mit Rissen versetzt, um gleichsam Zerfallserscheinungen antiker Säulen zu simulieren.

In der Natur bleibt die Säule starr, aber das Licht bewegt sich. In meinen Studien konnte ich die Säulen und das Licht beliebig ausrichten. Vor allem war es leicht, die Wirkung der Kannelur liegend und stehend zu prüfen. Das Resultat war verblüffend und unerwartet. Auf dem einfachen Gipsabguss spielten sich dramatische Verschiebungen und Übergänge von Schattierungen ab. Und für mich wurde schnell klar, dass es die Lichtwirkung auf den Körper der Säule war, die primär zur Erfindung der Kannelur, mit oder ohne Steg, führte.

Tatsächlich spalten die konkaven Kanneluren die abrupte Licht-Schatten-Grenze auf dem konvexen Säulenschaft in eine differenzierte Abstufung von in der Breite zunehmenden Schattenstreifen. Die Lichtstreifen werfen einen Teil ihres Lichts auf die dunkle Seite der Kannelur zurück und schaffen eine Brillanz im Schatten. Dieser differenziert abgestufte Übergang kann mit einem Staccato in der Musik verglichen werden. Auch verstärkt die Kannelur die Wahrnehmung der Richtungsänderung des Sonnenlichts. Das höchst dynamische Wechselspiel von Licht und Schatten unter einer bewegten Lichtquelle erzeugt mit jeder Bewegung eine Gegenbewegung in jeder Kannelur. Die Dimension der Zeit scheint in der Säule doppelt gefangen, im zeitlichen Tagesablauf und als Spur der Zeit durch Zerfall und Erosion.

Meine „Lichtsäulen“ sind in Serien von Rötelzeichnungen mit je 4 Wahrnehmungszuständen gegliedert. Zuerst zeigt sich die Säule als realistische, vom Alter brüchige aus Stein gehauene Masse, dann als plastische noch mineralische Oberflächenschicht,  weiter als eng anliegender dreidimensionaler Folienabdruck und schliesslich als abgelöste virtuelle Oberflächenschicht mit eigenständiger Verformung.

Neben dem Licht faszinierte mich auch immer wieder die römische Villa als Element des Mediterranen. Sie war und bleibt das Vorbild für einen idealen westlichen Lebensstil und verkörperlicht Urbanität, das Zusammenspiel von Haus und Garten, ja das harmonische Zusammenspiel von Mensch und Natur überhaupt. Basierend auf spekulativen Rekonstruktionen des Kleinen Palastes der Villa Hadriana versuchte ich auf dem Prinzip einer um einen überkuppelten Zentralraum angeordneten, sich wellig ein- und ausstülpenden Grundrissanlage einen „freien Grundriss“ zu entwickeln, bei dem Innen und Aussen ineinandergreifen. Das Haus, sorgfältig in die Topographie eingebettet, sollte wie eine Sonnenuhr die Tageszeiten reflektieren, private und öffentliche Funktionen in einer differenzierten Abstufung durch Einbaumöbel in einer Art modernem „freiem Grundriss“ erlauben. Die Haustechnik, Heizung und Lüftung waren nach römischem Vorbild in den Wänden untergebracht.

Eine in der Plandarstellung vollständigere und technisch ausgereiftere Version von „The Ideal Villa“ wurde 1980 beim internationalen Wettbewerb des „Japan Architect“ Magazins unter der Jury von Kisho Kurokawa mit dem  2. Preisbelohnt. Kurokawa betonte in der Publikation den Wert des Beitrags, einen „openPlan“ um einen Zentralraum mit klassischen Symmetrieachsen zu entwickeln. Dieser Versuch, ein Haus an der Überschneidung von Vergangenheit und Heute (A House at the Junction of History and Now) zu konzipieren, hatte wenig praktischen Wert, stiess aber auf grosses Interesse in Ausstellungen.